Viele Menschen sind überfordert, wenn ein enger Verwandter sich verabschiedet. Sibylle Burkhardt und Margit Wiedenmann erklären, wie Begleiter der Hospizgruppe helfen
Von Barbara Wild
Viele Menschen wissen gar nicht, was eine Hospizgruppe eigentlich macht. Was bedeutet Hospiz überhaupt?
Margi Wiedenmann: Unsere ehrenamtlichen Begleiter sind für Menschen da, bei denen feststeht, dass ihre letzte Lebenszeit begonnen hat. Wir stehen ihnen und auch den Verwandten bei – bis zum Tod. In wenigen Fällen auch, bis sich derjenige wieder erholt hat.
Sibylle Burkhardt: Die Hospizbewegung ist vor etwa 30 Jahren entstanden, als die Medizin große Fortschritte machte. Es war mehr möglich, der Tod wurde nicht mehr so schnell akzeptiert. Es gab eine Zeit, in der das Sterben nahezu unwürdig war, die Menschen wurden ins Sterbezimmer geschoben und waren damit aus dem Blickfeld. Eine Bürgerbewegung wollte das ändern. Zum andern gibt es seitdem auch eine Angst vor Überversorgung. Also, dass man an Schläuchen hängt und selbst nicht mehr entscheiden kann, ob man lieber sterben möchte.
Warum braucht es jemanden von außen, um beim Sterben nicht allein zu sein?
Burkhardt: Früher haben es die Familien abgefangen. Schon Kinder wussten, wie es ist, wenn ein Mensch oder auch ein Tier stirbt. Das ist heute anders. Sterben wird ins Heim oder ins Krankenhaus verlagert. Es dauert auch länger, weil mehr Behandlungen möglich sind. In Zeiten, in denen die Familienstrukturen wegbrechen, greifen die Menschen gerne auf Hilfe von außen zurück. Sterbende zu begleiten, da zu sein, ist zeitintensiv. Diese Zeit haben heute die wenigsten.
Sie sind also einfach da?
Wiedenmann: Es ist schwer zu beschreiben, was wir konkret tun, zumal jeder Ehrenamtliche anders begleitet. Es ist ein bisschen wie beim Kinderkriegen: Jede Frau weiß, dass es in diesen Stunden nicht auf das Zimmer oder die Einrichtung ankommt, sondern um die Menschen um sie herum.
Wie sieht eine Begleitung konkret aus?
Wiedenmann: Das ist sehr unterschiedlich, weil auch die Situationen jedes Mal sehr unterschiedlich sind. Wir hatten neulich eine Anfrage eines 51-Jährigen, alleinstehend, schwer krebskrank. Seine Wohnung hatte er aus gesundheitlichen Gründen aufgeben müssen und war ins Altenheim zur Pflege gezogen. Die Einrichtung hat uns verständigt. Unsere Mitarbeiterin geht zu diesem Mann, sie spielen Brettspiele, fahren mit dem Rollstuhl im Garten, hilft beim Essen, leistet ihm Gesellschaft.
Aber manchmal helfen Sie ja auch Angehörigen.
Wiedenmann: Ja, für viele Angehörige ist es eine Entlastung, mit uns offen zu sprechen oder einfach zu fragen, was sie jetzt tun sollen. Gleiches gilt auch für den Sterbenden. Bei unseren Ehrenamtlichen werden oft Dinge angesprochen, die sie sich mit den nächsten Verwandten nicht zu besprechen trauen.
Wie viele Menschen begleitet Ihre Gruppe?
Burkhardt: Wir haben 60 Hospizbegleiter. Im Jahr 2015 haben wir etwa 100 Menschen aus dem Landkreis geholfen, 2016 waren es bisher bereits 110.
Wie lange dauert eine Begleitung?
Burkhardt: Von eineinhalb Tagen bis fünf Jahre. Das ist ebenfalls sehr verschieden. Manche Ehrenamtliche gehen einmal die Woche zu ihren Sterbenden, andere gehen öfter. Im Mittelpunkt stehen die Bedürfnisse der Betroffenen und der Angehörigen. Alles andere passt sich an.
Gibt es Fälle, die Sie ablehnen?
Burkhardt: Wir begleiten keine Kinder und Jugendlichen. Dazu ist eine spezielle Ausbildung nötig.
Sie übernehmen aber keine Pflege, oder?
Wiedenmann: Nein. Unsere Ehrenamtlichen sind keine Pflegekräfte. Wir übernehmen auch keine rechtlichen Geschäfte, beraten nicht beim Testament oder heben Geld vom Automaten ab. Wir bieten ausschließlich psycho-soziale Betreuung.
Was treibt jemanden an, der sich als Hospizbegleiter engagiert?
Wiedenmann: Unsere Ehrenamtlichen haben meist selbst erlebt, wie gut es ist, wenn jemand da ist, wenn im eigenen Umfeld jemand stirbt. Andere beschäftigen sich schon lange mit dem Thema Tod. Die meisten wollen auch etwas an die Gesellschaft zurückgeben.
Aber ist es nicht hart, den Menschen beim Sterben zuzusehen?
Burkhardt: Die Sicht auf den Tod verändert sich. Viele Menschen wünschen sich für sich selbst einen schnellen Tod, am liebsten wollen sie einfach nicht mehr aufwachen. Aber wir erfahren, dass eine Krankheit auch eine Chance sein kann. Wer den Tod erwartet, hat noch einmal eine sehr intensive Zeit, kann sich verabschieden, Dinge klären, im Guten gehen. Das erspart den Angehörigen Schuldgefühle. Wiedenmann: Man muss auch bedenken, dass wir niemals im Krisenfall wie bei einem Unfall oder Ähnlichem dabei sind. Bei uns läuft es eher ruhig ab – bis zum Schluss. Wir sind uns außerdem bewusst, dass wir den Menschen nichts abnehmen können, sondern einfach ihren Weg mitgehen.
Welthospiztag Am Aktionstag veranstaltet der Hospizverein einen Filmabend in Nördlingen. Um 17 und um 20 Uhr wird „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ in der Drehergasse im Programmkino gezeigt. Am 19. Oktober gibt es „Ich, Earl und das Mädchen“ um 17.30 und um 20 Uhr im Cineplex in Donauwörth zu sehen. Ab 16 Uhr gibt es eine Aktion der Hospizgruppe mit dem Titel „Before i die“. Passanten können dabei auf Tafeln schreiben, was sie noch erleben wollen, bevor sie sterben.